Meine Doktorarbeit mit Delfinen

Das Geheimnis des friedlichen Miteinanders im Alltag

– ein Schlüssel dazu findet sich bei den Delfinen –

Während meiner Doktorarbeit am Meeresbiologischen Institut des bezaubernden südfranzösischen Ort Banyuls-sur-Mer entdeckte und verstand ich die mir schon als Kind vertraute Welt der Delfine in einer ganz neuen Tiefe.

Die menschenfreundlichen wilden Delfine, die in Frankreich „Dauphins ambassadeurs“ (Botschafterdelfine) genannt werden, lebten mir vor, wie friedliches Miteinander gehen konnte – auch mit ganz fremd erscheinenden Wesen wie wir Menschen – aus Delfinsicht.

Wie im Menschenreich gibt es auch im Delfinreich dazu verschiedene Haltungen anderen Wesen gegenüber. Die menschenfreundlichen, alleine und autonom agierenden Delfine zeigten mir:

  • Es gibt die Gruppendelfine, die alle zusammen agieren wie ein einziger großer Sie haben ein distanziertes freundliches Interesse an Menschen und anderen Arten – doch bleiben sie im Großen und Ganzen getrennt von diesen und leben ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse.
  • Dann gibt es bei Delfinen diejenigen, die sich aus der großen Gruppe lösen und in kleinen Einheiten Schiffe begleiten. Sie nähern sich Menschen, beobachten diese neugierig und akzeptieren ihre Nähe da, wo es für sie gut und angenehm ist. Sie gehen mit dem, was sich gerade zeigt und bleiben dabei auf sich zentriert.
  • Und dann gibt es die einzelnen Delfine, die im Fokus meiner Doktorarbeit standen: Sie sind diejenigen, die beschließen, Neues in ihrem Leben zuzulassen. Sie nehmen den Kontakt mit Menschen bewusst auf, suchen ihre Nähe: Sie überschreiten dabei die Grenzen ihrer Art, verlassen die Komfortzone und entwickeln sich im artübergreifenden Miteinander weiter. Sie finden heraus, mit Neugierde, Freundlichkeit und Intelligenz, wie es mit Menschen zusammen friedlich und angenehm sein kann und wie sich zwei so unterschiedlich lebende Arten miteinander wohlfühlen können.

Die Reaktion der Menschen auf diese menschenfreundlichen Delfine:

Meine_Doktorarbeit_mit_DelfinenIch beobachtete während meines Studiums, daß überall, wo einzelne menschenfreundliche Delfine auftauchten (rund 70 sind seit 1950 weltweit auch mit Foto und Film dokumentiert) das gleiche Phänomen: Generell große Begeisterung und Zuneigung auf beiden Seiten, Mensch und Delfin, ein sich schrittweise aufeinander einlassen, sich kennen lernen, Zuneigung entwickeln und aufeinander aufpassen. Menschen, die einen innigen Kontakt mit Delfinen erlebt haben, möchten diese beschützen und in Sicherheit wissen.

Delfine passen auch auf ihre Menschen auf: Seit der Antike wissen wir, dass wilde Delfine immer wieder Menschen aus Seenot retten: Ich erlebte es selbst mit dem Delfinweibchen Dolphy, als sie mich während eines Tages bei stürmischem Seegang sicher in den geschützten Hafen von Banyuls zurück begleitete.

Im Gegensatz zu uns Menschen bringen Delfine keine emotionalen Muster mit in die Begegnung mit uns. Sie sind voller Neugierde, Freundlichkeit, Fröhlichkeit und oft sehr verspielt. So gestalten sie auch ihre Begegnungen mit uns und fordern uns ebenfalls zu Spiel und Leichtigkeit auf. Nachdem Menschen mit einem wilden Delfin geschwommen sind und sie ihm vielleicht sogar aus der Nähe in die klugen Augen schauen konnten, sind sie immer tief berührt, glücklich, voller Optimismus und Energie.

Die Schlüsselfrage, die sich mir schon während meiner Doktorarbeit stellte, ist:

Wie kann ich nach so einem oder einem anderen wunderbaren Erlebnis diese Energie in meinem Alltag aufrecht erhalten. Und wie kann ich sie in mein Miteinander mit anderen Menschen dauerhaft einbringen?

Bei den Delfinen und der biologischen Ressource der emotionalen Selbstregulierung fand ich interessante Antworten auf diese für uns alle essentielle Frage.

Wissenswertes zu den menschenfreundlichen „Dauphins ambassadeurs“

Wissenswertes zu den menschenfreundlichen Dauphins ambassadeurs

„Dauphins ambassadeurs“ werden die menschenfreundlichen Einzelgänger-Delfine in Frankreich genannt: Sie rufen mit ihrem besonderen Verhalten bei Menschen, die mit ihnen interagieren tiefe Gefühle hervor. Wissenschaftlich werden sie eher als “gesellige solitäre Delfine” oder auf Englisch solitary and sociable dolphins bezeichnet.

Dieser Begriff bezieht sich auf wilde Delfine, die zumindest zeitweise wenig oder gar keinen Kontakt zu Artgenossen haben und regelmäßig sich Menschen nähern. Dabei entsteht oft auch ein körperlicher Kontakt mit Schwimmern und Tauchern. Soziale und spielerische Verhaltensweisen zwischen Mensch und Delfin sind üblich. Die Anwesenheit eines menschenfreundlichen wilden Delfins führt in der Regel dazu, dass eine große Anzahl von Menschen von einer bestimmten Meeresküste angezogen wird. Viele von ihnen wollen unbedingt mit dem Tier schwimmen und es berühren.

Der erste weltweit bekannte menschenfreundliche wild lebende Delfin (über den auch in den Medien viel berichtet wurde), war ein junger weiblicher Delfin der Art Großer Tümmler (oder Tursiops truncatus”) namens Opo in 1955. Bis zu zweitausend Menschen kamen während dieses Jahres täglich zum Strand der kleinen Stadt Opononi in Neuseeland, um Opo zu sehen und mit ihr zu interagieren.
Seitdem wurden weltweit etwa 75 solitäre und menschenfreundliche Delfine an verschiedenen Küsten gemeldet. Jeder dieser Delfine hatte seine eigene Persönlichkeit und individuelle Eigenheiten. Dennoch lassen sich viele Gemeinsamkeiten in Bezug auf ihr allgemeines Verhalten, ihre Reaktionen mit den Menschen und die Entwicklung der gesamten Situation beschreiben.