Alte Muster auflösen
Alte Muster auflösen

Alte Muster auflösen

Immer wieder das Gleiche erleben – oder wie man sich selbst treu bleiben kann

„Meine Freundin will immer mehr von mir, als ich ihr geben kann“, stöhnt Daniel, „ich kann sie einfach nicht zufrieden stellen, ständig streiten wir uns…!“ Kennst Du das auch bei Dir oder bei Freunden, dass immer wieder die gleichen Auseinandersetzungen und Herausforderungen auftauchen:  in der Partnerschaft, mit den Eltern, auf der Arbeit? Dass Du es anderen nicht recht machen kannst oder nur versteckt das machst, was Du eigentlich willst – aus Angst vor Kritik oder Streit? Wie kannst Du lernen, in solchen Momenten zu Dir stehen, ohne zu befürchten, Deine Zugehörigkeit zu den anderen zu verlieren?

Alte Muster, die irgendwie nicht zu stoppen sind?

Viele von uns kennen diese sich ständig wiederholenden Alltagssituationen, in denen wir uns nicht wohlfühlen mit anderen Menschen, oft sogar mit denen nicht, die uns am allerliebsten sind. Wir verhalten uns nicht authentisch, trauen uns nicht, wirklich wir selbst zu sein. Und das in Bezug auf viele Kleinigkeiten im gemeinsamen Alltag und Zusammenleben. Eigentlich wissen wir, dass es sich bei hier um ein altes Muster handelt. Doch wie kommen wir da raus? Können wir lernen, uns selbst treu zu sein, ohne Angst, kritisiert zu werden, nicht zu genügen, die Freundin oder den Freund zu enttäuschen, Kollegen zu nerven…?

Ein typisches Beispiel: Schnell mal das Handy weglegen – kennst Du das?

Daniel erlebte immer wieder, dass er gerade auf sein Handy schaute, etwas las oder schrieb – und wenn er seine Freundin kommen hörte, ganz schnell sein Smartphone zur Seite legte. Er tat so, als hätte er etwas anderes getan, um eifersüchtige Reaktionen von ihr zu vermeiden.

Vermutlich kennen zumindest die meisten Kinder und Jugendlichen dieses Verhalten, je nach Alltagssituation, um keinen Stress mit ihren Eltern zu bekommen. Auch zwischen Partnern und Freunden kommt es immer wieder vor.

Woran erinnert Dich das aus Deiner Kindheit? – Die ESPERE-Frage

Mich erinnert das an die Zeit in meiner eigenen Kindheit, in der ich als nicht zu stoppende Leseratte noch spät in der Nacht unter der Bettdecke mit einer Taschenlampe las, wenn längst das Licht aus sein und ich schlafen sollte. Kaum hörte ich, dass meine Eltern die Treppe hochkamen – schaltete ich blitzschnell die Taschenlampe aus und stellte mich schlafend…

Die Frage „Woran erinnert Dich das aus Deiner Kindheit?“, die zu der Beziehungslehre ESPERE  gehört, ist ein klassischer schneller Link, den jede/r ohne viel Training herstellen kann, um sich die eigene Macht aus vergangener Kindheitserfahrung zurück zu holen, und so die ersten sich wiederholenden Verhaltensmuster bewusst aufzulösen.

Ein unfehlbarer Schlüssel, sich mit anderen entspannter und sorgloser zu fühlen

Bei der Frage nach der erinnerten passenden Szene aus der Kindheit wird schnell klar, wo das eigene Konfliktverhalten in Bezug auf andere angefangen hat, z.B. in einer demütigenden Szene mit einer Lehrerin, der Mutter, den Großeltern… Mit einer passenden, einfühlsamen Begleitung und zuverlässigen Vorgehensweise in Bezug auf diese Kindheitsszene ist es möglich, diese nun einfach neu zu erleben: Die eigene Macht und das Gefühl für Selbstwirksamkeit erhalten wir dadurch zurück, dass wir dieses Mal für uns eintreten können, sagen, was damals für uns wichtig und richtig gewesen wäre, erfahren, wie es sich anfühlt, sich selbst und dem eigenen Wesen und Wünschen treu sein zu können. Wir nennen es auch, das Szenen-Drehbuch neu schreiben.

Darum geht es bei der Auflösung alter Muster in Beziehungen mit anderen

Löst Du auf diese Art und Weise alte Muster auf, hören nicht nur Schritt für Schritt die unangenehmen Wiederholungen in Deinem Leben auf. Du merkst, dass Du mehr Energie hast, Dich in zuvor erlebten schwierigen Situationen nicht mehr so hilflos fühlst, immer mehr Macht über Dein eigenes Leben zurück gewinnst und zu Deinem zu Dir gehörenden Verhalten, das Du zuvor vielleicht eher versteckt hast, offen stehst.

Doch dazu gibt es noch etwas zu verstehen: unsere eigenen Beziehungsbedürfnisse

Hierbei geht es nicht nur um unsere Bedürfnisse in der Partnerschaftsbeziehung, sondern in den Beziehungen zu allen Menschen in unserem Umfeld: im Freundeskreis, im Beruf, zu unseren Kindern, Geschwistern, Eltern…  Es geht um die zwischenmenschlichen Beziehungsbedürfnisse, die in der Beziehungslehre ESPERE ausführlich beschrieben sind.

Zwischen Zugehörigkeit und Selbstbestimmung

Nur wenigen ist bekannt, dass die menschlichen Bedürfnisse in zwei Kategorien fallen: Erstens in die Bedürfnisse, die das Kind, das wir waren, für seine Entwicklung brauchte: Zugehörigkeit, Nähe und Zärtlichkeit, und zweitens in die Bedürfnisse, die für die Entfaltung unserer eigenen Persönlichkeit und unseren erfüllten Lebensweg als Erwachsene essentiell sind. Hier geht es um die Bedürfnisse, die mit Autonomie, Selbstständigkeit, Kreativität und Einflussnahme auf die erlebte Umwelt zu tun haben. Sie im Detail zu kennen und dafür sorgen zu können, dass sie befriedigt sind, erlaubt erst, tatsächlich aus den meisten eingefahrenen Kindheitsmustern auszusteigen.

Hier ein kleiner Überblick über die Beziehungsbedürfnisse nach ESPERE:

Die Bedürfnisse, die Zugehörigkeit und Nähe ausdrücken: Folgende Bedürfnisse sind essentiell für die Entwicklung des Kindes in seiner Familie und den Bezugsperson und Gruppen seiner Kindheit und Jugend. Sie erlauben, Verbundenheit zu spüren und helfen, Vertrauen ins Leben und in die Zukunft zu entwickeln:

  • Das Bedürfnis, das ich mich und alles, was mich beschäftigt, mitteilen kann und dass mir wohlwollend und interessiert zugehört wird
  • Das Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung für das, was ich bin und tue, und dass ich so angenommen und akzeptiert werde, wie ich bin
  • Das Bedürfnis nach Sicherheit und Kontinuität in den Beziehungen zu anderen: dass ich mich auf andere verlassen kann und dauerhaft geborgen und behütet fühle
  • Das Bedürfnis, zu träumen, meinem eigenen Wesen und meinen Wünschen nachspüren und meiner Phantasie und meinen inneren Welten Raum lassen zu können

Diese Bedürfnisse gehören essentiell zu der Entwicklung von Autonomie und Selbstständigkeit und sind notwendig, damit wir unser eigenes einzigartiges Wesen und unsere Persönlichkeit entwickeln und unsere besonderen Talente und Kompetenzen entfalten können:

  • Das Bedürfnis,  kreativ sein zu können, eigene Dinge zu erschaffen, sich mit eigenen Ideen einzubringen, diese weiterentwickeln und verwirklichen  zu können
  • Das Bedürfnis, entscheidenden Einfluss auf mein Leben und meine direkte Umgebung ausüben zu können
  • Das Bedürfnis nach wohlwollenden konstruktiven Rückmeldungen, die mir einen hilfreichen Spiegel vorhalten für meine eigenen Stärken und Schwächen und für mein Potential
  • nach eigenen Räumen im Innen und Außen, damit meine Intimsphäre gewahrt ist und meine Grenzen wahrgenommen und geachtet werden
  • Das Bedürfnis, hoffen zu können, dass es wohltuende und konstruktive Projekte mit anderen Menschen gibt, die realisierbar sind, damit es in meinem Leben und in der Welt Hoffnung auf eine positive Weiterentwicklung gibt

Im Falle von Daniel erkannte er, dass er die meiste Zeit mit seiner Freundin die Bedürfnisse aus seiner Kindheit nach Zugehörigkeit und Nähe ausgelebt hatte und ständig befürchtete, es ihr nicht recht machen zu können. Erst, als ihm dies bewusst wurde, kam er in die Lage, für seine Bedürfnisse nach Eigenständigkeit und Entfaltung einzustehen und damit, sich auch in seiner Partnerschaft immer mehr selbst treu zu sein.

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